Vom Nutzen der Gegenstände
Über die Arbeiten von Christian Forsen
Als mich Forsen um einen Text bat, fiel mir ein,
daß ich kürzlich eine längere Notiz angefertigt
hatte, die unachtsam liegengelassen, von meiner
Mutter begierig aufgenommen worden war. Auf die
Bitte, sie möge mir doch diese Zeilen wieder zur
Verfügung stellen händigte sie mir zögernd nach
unverkennbaren Ausflüchten die Notiz aus, und es
war klar, daß sie schon zumindest in die Hand ihrer
besten Freundin gelangt war, die trotz oder gerade
wegen ihres hohen Alters für sehr Kunstinteressiert
gilt. Der Zettel, der die nachstehenden, um der
Lesbarkeit Willen, zaghaft ergänzten Zeilen enthielt,
war seltsamerweise ungestüm abgegriffen, und ich
bin mir nicht mehr sicher, ob es sich überhaupt
um meine eigenhändigen Notizen gehandelt hat. Ihr
Inhalt war folgendermaßen zu lesen:
Wir alle sehen den Gegenstand. Wir laufen davor,
wir laufen um ihn herum. Warum steht das Ding,
weshalb fällt das Gebilde nicht um? (Warum bleibt
das Etwas wie es ist?)
Mikadoähnlich stehen Latten im Raum. Jeden
Moment scheint sich eine regen zu wollen. Damit
wäre alles verloren. Doch stehen diese sperrigen
Dinger überhaupt wie ein Körper steht? Unterhalb
einer Kreuzung bei Auf den Schultern von Riesen fußen zwei Latten auf einer weißlichen Form, die
unwirklich greifbar scheint. Erst diese Form ruht
auf hölzernen Keilen, die ihr gleichsam ein Bett
geben. In ihrer gestapelten Anordnung vermitteln
sie den anonymen Ort der Bodenfläche mit dieser
konkreten Form. Folgt der Blick über eine der
Latten in die Höhe, so findet er wieder über ein
Kreuz eine zweite ähnliche Form, die nun selbst auf
zwei Lattenenden ruht. Dem einen Stab kommt der
zweite Stab zu Hilfe um diese Form zu tragen. Das
Tragende ist wie ein Wesenszug in dieser zweiten
Form eingefroren, denn eigentlich, bei genauerer
Betrachtung, sind es zwei Formen: auf der Größeren
mit der Verbindung zur Stütze liegt eine zweite,
Kleinere angeschmiegt. Eine körperhafte Geste
spricht den Blickenden an, unweigerlich fühlt man
ein tröstendes Bild aufsteigen. Der Große nimmt
den kleinen Huckepack. Im jähen Winkel stürzt die
zweite Latte weg, der Blick kann kaum Folgen
und wird in ausdrücklichem Schwung zum Boden
geleitet. Als Antipol zum Keilen tastet dieses Ende
in einer einzigen Staccatobewegung den Boden. Ein
Schelm, wer dabei an den Schöpfungsfinger von
Michelagniolo denkt. Einmal zu einem Ende gelangt,
reiht sich dieses sperrig in den Raum verdichtete
Konstrukt in einem Zug, über zwei geschnitzte
Gestalten zum anderen Ende, welches den freien
Raum gleichermaßen ertastet. Die Oppositionen in
Auf den Schultern von Riesen halten mit ihrer
Konkurrenz ein Gleichgewicht und zu alledem gibt
es dieses Gleichgewicht mit der körperhaftesten Kraft,
der Schwerkraft. 1