Anja Vormann / Gunnar Friel


Ein wenig irritiert rüttelt der Besucher an der verschlossenen Tür,
durch die er gewohnheitsgemäß das Foyer des Ausstellungsraumes
betreten will. Verschlossen – dahinter, das Foyer verstellt, ungewohnte Wandstellungen, kein Einblick, kein Hinweis auf eine Ausstellung. Ein lapidar angebrachtes Stück beschrifteter Graupappe fordert den Besucher auf, die Ausstellung über den Notausgang zu betreten. Ein wenig genervt findet er den Eingang, durchquert zügig den Ausstellungsraum und versucht den verwehrten Raum über die Schwingtür vom Ausstellungsraum her zu betreten. Auch hier hat sich die gewohnte Raumsituation vollkommen verwandelt. Eine der zwei Wandstellungen im Foyer durchstößt mit eleganter Selbstverständlichkeit die Trennwand zwischen beiden Räumen, sie macht den linken Türflügel, den sie eingefasst hat, unbenutzbar. Immerhin läßt sich der rechte Türflügel bewegen – geringfügig, bis er an eine weitere, scheinbar verselbstständigte Wand anstößt. – Kein Durchkommen, rätselhaft, ärgerlich.

Der von Anja Vormann und Gunnar Friel vorgenommene architektonische Eingriff steht in der Kontinuität einer seit Jahren anwachsenden Werkreihe von Gemeinschaftsarbeiten. Diese beschäftigen sich mit der Reproduktion, der Verdoppelung, der Vermehrung von vorgefundenen Raum- und Dingstrukturen. Der Vorgang der Vermehrung, der Zellteilung, mitunter ein unkontrollierbares Wuchern der Objekte, kann als Prozess demonstriert in Erscheinung treten. So ließ sich unter den simulierten Bedingungen naturwissenschaftlicher Objektivität, die Zellteilung von Energiesparbirnen, und zwar die der im Raum vorhandenen, auf einem Monitor verfolgen. Es können jedoch auch die Produkte, somit die Ergebnisse einer rätselhaften Vermehrung, selbst im Raum Gestalt annehmen und mit einer subtilen Selbstverständlichkeit ihren Platz in Anspruch nehmen. Dies kann zu Beeinträchtigungen, zu Funktionswandel, zu Ärgernissen führen – wie der Besucher erfahren musste. Eine organisch geschwungene Wand im Foyerbereich wurde detailliert vermessen und zweifach reproduziert. Die Stellung der Wandklone im Raum scheint organischen Gesetzmäßigkeiten zu folgen, ein gerichtetes, eigenständiges Wachsen in den Ausstellungsraum läßt sich erkennen.

Um Wachstum, vorgeführt als Bewegung, geht es auch in der Videoarbeit Living Ornament. Mittels Zeitraffertechnik und im Makrobereich aufgenommen, ist die Entfaltung einer Rose von Jericho großformatig auf die Wand projiziert. Die Bewegung fällt nur dem konzentrierten Betrachter auf. Sie vollzieht sich äußerst langsam, durch den Zeitraffer in ruckartigen Sprüngen. Paradoxerweiser wirkt die Aufnahme einer realen organischen Bewegung in der Projektion mechanisch, als würde ein Automat die Bewegung steuern. Die Arbeit gibt der Ausstellung ein Signet, sie bezeichnet ein Wachstum, das unheimlich anmutet, dessen Antriebskräfte unerklärlich, dessen Auswirkung vielleicht lebensbedrohlich ist: die Wucherung, die unkontrollierbare Vervielfältigung. Zeichnet man den von den Arbeiten vorgelegten Gedankengang weiter und zieht man das Archiv der Gemeinschaftsarbeiten mit hinzu (vgl. www.the-symptom.net), so entwickeln die beiden Künstler mit spielerischer Begeisterung den Rahmen einer düsteren Ahnung: Es zeichnet sich das Eindringen unbekannter Kräfte in den Organismus und in die Gesetzmäßigkeiten des Lebens ab. Beiläufig, weitgehend unbemerkt und ungebremst. Die den Klonen zu eigene Vitalität wirkt störend, sie raubt die Existenz einer gewohnten Sicherheit, sie verlangt ein Umdenken. (Michael Voets)