Sabrina Fritsch
Matte Farben, sie stehen trocken auf der Leinwand, fast wie Pigment.
Taubengrau, Fleischrosa, Lindgrün und ein sehr verhangenes Gelb;
darauf stauchen sich Linien zu Kanten, drei davon könnten einen
Raum markieren – oder doch nur eine angeschnittene Raute. Noch
ist nichts sicher, das Auge justiert sich, gleitet probehalber um eine
Ecke und geht zwischen zwei Pinselstrichen verloren, die so sauber
gezogen sind, als könne man dem weichen Haar ein Lineal anlegen.
Irritation kann ein unendlich langer Moment sein, man braucht eine
Weile, vom Spüren zum Verstehen: Dass da etwas nicht richtig ist.
Oder in einer Weise richtig ist, die dennoch nicht passt. Wie faltet man das alles wieder ein?
Es sind die Farben von Masaccio und Fra Angelico, in denen Sabrina
Fritsch malt – sie sind fast klassisch abgetönt, etwas zu pastell, etwas zu weißhaltig. Als die Renaissance sie verwendete, da sah man ihnen an, dass sie erst vor kurzem von der Wand abgelöst worden waren, das Grün fast türkis, ein Rot wie tiefdunkles Rosa, viel Grau. Die Töne des Fresco sitzen fast lose auf den flachen Tafeln. Und, Strich für Strich, entfalten sie dort eine neue Welt. Sie hat Tiefe, sie hat nicht nur Kanten, sondern Ecken und man kann hineinblicken, und jeder, der vorher nur da war, hat jetzt einen Ort: die Heiligen und Könige, Ritter und Gefolgsleute, Kreuzzügler und Drachen und Tauben. Es ging, für einen kurzen Moment, nicht mehr darum, ihnen allen eine Bühne zu bereiten, es war der Raum, der zählte, auf diesen neuen Bildern, die sich von den Wänden und aus den Altären befreit hatten. Und als sie schlussendlich doch dort auftauchten, dann nicht ohne Zurückhaltung. Als träten der Mönch und seine Vögel, die Damenhafte mit
dem Lamm, der Falkner, die junge Adelige und der Kaufmann nur
zögernd aus den säulenbestandenen Hallen, als wollte der Goldbrokat
ihrer Gewänder sich lieber hinter den Vorhängen verstecken, die diese
junge, starre Ordnung mit weicher Pracht beflorten.