Elke Nebel
Elke Nebels Filme erzählen Geschichten, in denen sich Bilder und Ereignisse ständig transformieren, wie Traumerlebnisse ineinander übergehen, die Perspektive wechseln, sich verwandeln und entschwinden. Binnen Sekunden verstreichen ganze Jahreszeiten, spielen sich Naturereignisse ab, entwickeln sich aus alltäglichen Szenen Phantasmagorien, die ihr Eigenleben führen und die
Gesetze von Raum und Zeit überwinden.Die Filme bestehen aus kurzen, narrativen Bildsequenzen, atmosphärischen Szenen mit teils irritierenden Metamorphosen, in denen das Sehen selbst unter Beobachtung gerät. Sie basieren auf gemalten Bildern, wodurch sich ihre suggestiveWirkung verstärkt. Immer wieder lassen sich die Struktur der Leinwand und der Pinselauftrag oder in ihren früheren Filmen die Farbverläufe der Aquarelltechnik erkennen. Bild für Bild entstehen aus der Malerei filmische Sequenzen. Es sind – obwohl später mit Musik unterlegt – lautlose Filme, Bildfolgen, die sich in eine Parallelwelt verirrt haben und uns wie in Tagträumen heimsuchen. In dem Film "Absinth" findet sich so der Betrachter in den melancholischen Halluzinationen eines trinkenden Mannes wieder; im Film "Moonwalk" wird er zum staunenden Beobachter eines Films im Film, der sich im Helm des tänzelnden Astronauten
abspielt.
In Elke Nebels jüngstem Film "Magma" wird der Ausbruch eines Vulkans als
malerisches Ereignis in drei Stadien erlebbar:Dunkler Rauch steigt aus einem
Krater auf und zeugt von dem bevorstehenden Naturschauspiel. Zwischen
den auf- und absteigenden Rauchschwaden lassen sich die Konturen des Vulkans
erahnen. Die zweite Einstellung zeigt bei Nacht sprudelndes, rotes Magma
auf schwarzem Grund. Die Szene wird von einer dritten Sequenz abgelöst,
in der sich – wie aus derVogelperspektive gesehen – langsam rote Risse
durch das schwarze Bild ziehen, die unaufhaltsam aufeinander zulaufen. Der
Film mündet in einer abstrakten Farbexplosion, die in ihrer hypnotischen
Dichte – komponiert und geschnitten zu psychedelischer Musik – entfernt an
die Schlußszene von Michelangelo Antonionis "Zabriskie Point" erinnert.
Die Sequenzen bergen zahlreiche malerische Zwischenstadien, die auf wenigen
Leinwänden stattfinden.Durch den Film wird das Prozeßhafte malerischer
Motivfindungen festgehalten und gleichzeitig das einzelne Bild im unaufhaltsamen
Fortschreiten seinerVergänglichkeit preisgegeben.Die den Film konstituierenden
schnellen Bildwechsel stehen dem monatelangen Erarbeiten und Erstellen
der einzelnen, für Bruchteile von Sekunden festgehaltenen Momentaufnahmen
im Medium Malerei fast konträr entgegen.Neben den Filmen bleiben als Resultate die Leinwände, die wie ständig übermalte Storyboards in zahlreichen Schichten verdichtete Kondensate der Geschichten bilden. Sie bergen die Bilderserien und Erzählungen, die nur noch im Film sichtbar sind und im Loop die ständige Wiederkehr unserer Obsessionen und Wünsche suggerieren, wieVorstellungen, die uns verfolgen und irgendwie, irgendwoher immer wiederkehren. (Peter Gorschlüter)